BGH zum Umfang und Zeitpunkt der Risikoaufklärung vor diagnostischen Eingriffen (hier: Myelographie).

BGH, Urteil vom 04.04.1995 – VI ZR 95/94

Zu Umfang und Zeitpunkt der Risikoaufklärung vor diagnostischen Eingriffen (hier: Myelographie).

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 20. Oktober 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land als Träger der Universitätskliniken in H. und den im Institut für Neuroradiologie dieser Klinik früher tätigen Zweitbeklagten Schadensersatz wegen einer Querschnittslähmung, die sie nach einer vom Zweitbeklagten durchgeführten Myelographie erlitten hat.

2
Die Klägerin litt seit dem Jahre 1985 an einer progredienten cervikalen Myelopathie, die zunächst zu stärker werdenden Gefühlsstörungen und seit 1986 zu einer zunehmenden Parese in den Armen und Beinen mit Gangunsicherheit führte.

3
Im Januar 1986 wurde bei der Klägerin eine Computertomographie durchgeführt, die eine Einengung des Rückenmarkkanales der Halswirbelsäule aufzeigte. Durch eine kurz darauf erfolgte Kernspintomographie wurde ein deutlicher Nucleus-pulposus-Prolaps zwischen den Wirbelkörpern C 5/C 6 mit konsekutiv erheblicher Einengung des Halsmarks, insbesondere zwischen C 5/C 6 festgestellt. Eine im Anschluß hieran am 4. Februar 1986 in der Neurochirurgischen Klinik der Universität M. vorgenommene ambulante Untersuchung der Klägerin ergab die Diagnose einer schweren progredienten cervikalen Myelopathie in Höhe C 5/C 6 mit zusätzlicher radikulärer cervikaler Symptomatik beidseits. Der Klägerin wurde dort eine schnelle operative Korrektur des Bandscheibenvorfalls im Cervikalbereich angeraten.

4
Bereits am 6. Februar 1986 wurde die Klägerin zur stationären Behandlung im Neurochirurgischen Institut der Universitätskliniken H. aufgenommen, wo die Bandscheibenoperation vereinbarungsgemäß am folgenden Tag erfolgen sollte. Die Aufnahmeuntersuchung nahm der Arzt für Neurochirurgie Dr. P. um 18.00 Uhr vor, der zur Vorbereitung der vorgesehenen Operation noch die Durchführung einer lumbalen Myelographie anordnete. Diese führte der Zweitbeklagte am Abend des 6. Februar 1986 gegen 21.30 Uhr im Institut für Neuroradiologie durch. Der Myelographie war ein Aufklärungsgespräch zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten vorausgegangen. Danach hatte die Klägerin eine vorformulierte Einverständniserklärung unterschrieben, die noch handschriftliche “Notizen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs” enthielt. In der Einverständniserklärung war angegeben, die Klägerin sei darüber informiert worden, daß bei der Untersuchung Nebenwirkungen eintreten könnten, u.a. Nervenlähmungen, Krampfanfälle, Muskelzuckungen in extrem seltenen Fällen auch lebensbedrohliche Komplikationen.

5
Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Myelographie trat bei der Klägerin eine mit Schmerzen verbundene Tetraplegie auf. Die Klägerin wurde noch am selben Abend notfallmäßig in der Neurochirurgischen Klinik der Universität H. an der Halswirbelsäule operiert. Postoperativ bildete sich die bei ihr aufgetretene spastische Tetraplegie (Querschnittslähmung) nur teilweise zurück.

6
Die Klägerin kann wegen der bei ihr noch bestehenden Querschnittslähmung ihren Beruf als Hotelfachfrau nicht mehr ausüben. Sie bedarf zur Führung ihres Haushaltes einer Haushaltshilfe, für die sie monatlich 1.000 DM aufwenden muß. Sie kann sich nur mühsam und unter Verwendung von Krücken über kurze Strecken bewegen; im übrigen ist sie auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen.

7
Die Klägerin hat von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens verlangt.

8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt sie ihre Klageansprüche weiter.

Entscheidungsgründe
I.

9
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß eine zweifelsfreie medizinische Indikation für die von dem Zweitbeklagten durchgeführte Myelographie bestanden habe, und daß die Klägerin auch nicht den Beweis dafür erbracht habe, daß dem Zweitbeklagten bei der Durchführung der Myelographie schuldhafte Fehlleistungen unterlaufen seien. Aus der von der Klägerin unterzeichneten Einverständniserklärung entnimmt das Berufungsgericht darüber hinaus, daß die Klägerin im Rahmen eines Aufklärungsgespräches auch über die Tragweite und die Risiken der Myelographie informiert worden ist. Da in den handschriftlichen Notizen zum Aufklärungsgespräch von “Lähmungen” die Rede ist, geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin auch über das Risiko einer Querschnittslähmung unterrichtet wurde. Es schließt daraus, daß die Klägerin in Kenntnis der gravierenden Risiken in die Vornahme der Myelographie eingewilligt und auf eine nähere Erörterung der Nutzen-Risiko-Relation verzichtet habe und die Beurteilung der Frage, wie das Für und Wider dieser diagnostischen Maßnahme in ihrem Falle abzuwägen war, vertrauensvoll den behandelnden Ärzten habe überlassen wollen.

10
Sollten noch nähere Hinweise über den Zweck und die Notwendigkeit einer Myelographie erforderlich gewesen sein, so könnten, so erwägt das Berufungsgericht hilfsweise, sich die Beklagten jedenfalls darauf berufen, daß die Klägerin auch bei pflichtgemäßer diesbezüglicher Aufklärung dem Eingriff zugestimmt hätte. Zu der Vornahme der Myelographie habe es keine vernünftige Alternative gegeben. Es sei davon auszugehen, daß ein Patient, der bereit sei, in eine gefährliche Maßnahme einzuwilligen, ohne deren Zweck und Notwendigkeit zu kennen, erst recht dann nicht seine Einwilligung versage, wenn ihm aufklärende Hinweise gegeben werden, wonach in hohem Maße von der Notwendigkeit der Maßnahme auszugehen sei.

II.

11
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

12
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht annimmt, es habe eine medizinische Indikation” für die von dem Zweitbeklagten bei der Klägerin vorgenommene Myelographie bestanden.

13
a) Rechtsfehlerfrei konnte das Berufungsgericht aufgrund des ihm vorliegenden Beweisergebnisses die Vornahme einer Myelographie zur Klärung der unklaren Beschwerden der Klägerin im Bereich der Halswirbelkörper für medizinisch sinnvoll und notwendig halten. Auch der Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik der Erstbeklagten hat bereits in seinem schriftlichen Bericht vom 25. Februar 1985 ausgeführt, die Myelographie sei zur Vervollständigung der präoperativen Diagnostik durchgeführt worden. In einem Klammerzusatz hat er als Grund für die Myelographie nicht nur den Ausschluß eines tiefer gelegenen intraspinalen raumbeengenden Prozesses erwähnt, sondern auch die “Differenzierung zwischen spondylogener und bandscheibenbedingter Kompression in Höhe der Halswirbelkörper C 5/C 6 und C 6/C 7 “. In seiner Aussage vom 10. Oktober 1990 hat er nochmals darauf hingewiesen, die Beschwerden der Klägerin seien deshalb unklar gewesen, weil die kernspintomographischen Aufnahmen eine Vorwölbung der Bandscheiben im Bereich der Halswirbelkörper C 3/C 4 sowie C 6/C 7 und einen Bandscheibenvorfall im Bereich C 5/C 6 gezeigt hätten. Insoweit deckt sich die Aussage des Chefarztes der Beklagten mit der Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Sch.

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b) Die Revision weist zwar mit Recht darauf hin, daß die Bejahung der Indikation zu einer so risikobehafteten invasiven diagnostischen Maßnahme, wie sie auch eine Myelographie darstellt, eine besonders sorgfältige Güterabwägung zwischen der diagnostischen Aussagefähigkeit, den Klärungsbedürfnissen und den besonderen Risiken für den Patienten voraussetzt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juni 1983 mit NA-Beschluß des Senats vom 3. April 1984 – VI ZR 173/83 – VersR 1984, 643 = AHRS 2260/8 für eine Vertebralis-Angiographie). Das Berufungsgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil im wesentlichen nur mit dem Klärungsbedürfnis befaßt und die Indikation vor allem “angesichts der neurologischen Symptomatik” bejaht. Es hat demgegenüber aber unerörtert gelassen, daß nach den Angaben im Tatbestand seines Urteils bei der Klägerin ein eingeengter Spinalkanal vorlag, daß, wie die Revision rügt, in dem Bericht der Gutachterkommission gerade ein solcher eingeengter Spinalkanal zu den Risikofaktoren bei der Myelographie gehörte, und daß andererseits die neurochirurgische Universitätsklinik in M. offenbar ohne Myelographie eine schnelle Operation durchführen wollte. Da aber, wie bereits ausgeführt, die Myelographie auch erforderlich war, um eine sichere Entscheidung über das maximal betroffene Segment der Halswirbelsäule zu treffen und um die geplante Operation in diesem Bereich sachgerecht auszuführen, war die Güterabwägung eingeschränkt. Die Risiken, die mit der notwendigen Klärung des vorgesehenen Operationsgebietes verbunden waren, mußten jedenfalls in Kauf genommen werden. Das Berufungsgericht konnte deshalb bei dieser Sachlage ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß, weil sogar der Chefarzt der Neurochirurgischen Universitätsklinik in H. vor der Anordnung der Myelographie eingeschaltet worden war und im Hinblick auf den Klärungsbedarf die Indikation zu deren Vornahme bejaht hatte, und der gerichtliche Sachverständige im Streitfalle die präoperative Myelographie als den klinischen Erfordernissen einer fachgerechten Behandlung entsprechend bezeichnet hat, ärztlicherseits auch die erforderliche sorgfältige Güterabwägung in der besonderen Situation der Klägerin getroffen worden ist.

15
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedenfalls im Ergebnis gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts über eine wirksame Einwilligung der Klägerin in die Vornahme der Myelographie.

16
a) Unbegründet ist allerdings die Verfahrensrüge der Revision, mit der sie geltend macht, die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei auch über das Risiko einer Querschnittslähmung unterrichtet worden, finde im Sachvortrag der Parteien keine Stütze.

17
Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, daß die Klägerin stets ausdrücklich bestritten hatte, auf das Risiko einer Querschnittslähmung hingewiesen worden zu sein, und daß auch die Beklagten nur vorgetragen haben, der Zweitbeklagte habe die Klägerin lediglich über das Risiko von “Lähmungen” aufgeklärt. Ein Arzt muß vor der Vornahme einer Myelographie aber nicht ausdrücklich das Wort “Querschnittslähmung” verwenden. Dem Patienten muß nur deutlich gemacht werden, daß es bei ihm zur Verschlimmerung seines Zustandes bis hin zu Bewegungsunfähigkeiten seiner Gliedmaßen über einen längerfristigen Zeitraum, möglicherweise sogar zu dauernden Lähmungen dieser Art kommen kann (vgl. OLG Hamm mit NA-Beschluß des Senats vom 19. April 1988 – VI ZR 271/87 – VersR 1988, 1133 = AHRS 4710/18). Allein mit dem Hinweis auf “Lähmungen” wird freilich im allgemeinen der Arzt, wenn eine Querschnittslähmung zu befürchten ist, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Information des Patienten nicht gerecht, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß dazu bereits eine Aufklärung “im großen und ganzen” ausreicht (vgl. Senatsurteil vom 2. November 1993 – VI ZR 245/92VersR 1994, 104, 106). Dem Berufungsgericht kann aber dahin gefolgt werden, daß die Klägerin, die bereits an Lähmungserscheinungen an den Armen und den Beinen litt, den Hinweis auf “Lähmungen” in ihrer Situation dahin verstehen mußte, daß das Risiko anderer, ggfls. auch noch weitergehender Lähmungen der Extremitäten bestand. Es liegt jedenfalls kein Rechtsfehler darin, daß das Berufungsgericht annahm, die Klägerin habe den Hinweis nicht dahin verstehen können, daß nur Lähmungserscheinungen der bisher schon vorhandenen Art entstehen konnten, sondern habe ihn dahin verstehen müssen, daß auch das Risiko von motorischen Ausfallerscheinungen nach Art einer Querschnittslähmung bestanden habe (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 90, 103, 109 = AHRS 4730/5).

18
b) Das Berufungsgericht hat, entgegen der Ansicht der Revision, auch nicht die Anforderungen an den Umfang der Aufklärung verkannt. Einer optimalen Aufklärung des Patienten entspricht es zwar im allgemeinen, daß dieser in dem Aufklärungsgespräch auch an der Güterabwägung zwischen Risiko und Nutzen des Eingriffs beteiligt wird (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1979 – VI ZR 70/77VersR 1979, 720, 721 = AHRS 4555/2). Kann jedoch eine Operation ohne vorherige Durchführung einer bestimmten Diagnosemaßnahme nicht sachgerecht durchgeführt werden, so genügt es, wenn dem Patienten mitgeteilt wird, daß ohne diese Diagnosemaßnahme die Operation nicht erfolgen kann. Die Klägerin räumt selbst ein, einen solchen Hinweis erhalten zu haben. Der Klägerin mußte nicht auch noch im einzelnen erläutert werden, welche zusätzlichen Erkenntnisse über die bereits vorliegenden Befunde der Computertomographie und der Kernspintomographie hinaus von der Myelographie zu erwarten waren und inwieweit diese zusätzlichen Erkenntnisse für die Bandscheibenoperation notwendig waren, und welches Risiko bestand, wenn die Operation ohne die zusätzliche Myelographie durchgeführt wurde.

19
c) Durchgreifenden Bedenken begegnet das Berufungsurteil jedoch, da das Berufungsgericht darin nicht die Frage erörtert hat, ob der Klägerin nach der erfolgten Aufklärung noch Zeit genug gelassen wurde, damit sie eine eigenständige Entscheidung darüber treffen konnte, ob sie die Myelographie durchführen lassen wollte. Die Revision rügt ausdrücklich hilfsweise, daß ein Patient unmittelbar vor dem Eingriff kaum die Möglichkeit hat, vorformulierte Texte zu analysieren oder gar zu korrigieren. Wie der erkennende Senat wiederholt und erst kürzlich für ambulante Operationen nochmals hervorgehoben hat, muß der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden, daß er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann (Senatsurteil vom 14. Juni 1994 – VI ZR 178/93VersR 1994, 1235). Das gilt auch für diagnostische Eingriffe. Ebenso wie bei ambulanten Operationen reicht es auch hier zwar grundsätzlich aus, wenn die Aufklärung am Tag des Eingriffs erfolgt. In solchen Fällen muß jedoch dem Patienten im Zusammenhang mit der Aufklärung über die Art des Eingriffs und seine Risiken auch verdeutlicht werden, daß ihm eine eigenständige Entscheidung darüber, ob er den Eingriff durchführen lassen will, überlassen bleibt. Für diese Überlegung und Entscheidung muß ihm auch vor diagnostischen Eingriffen ausreichend Gelegenheit gegeben werden. Das ist aber nicht der Fall, wenn die Aufklärung im Untersuchungsraum oder vor dessen Tür dergestalt erfolgt, daß dem Patienten erklärt wird, ohne den Eingriff könne die Operation am nächsten Tag nicht durchgeführt werden, er schon während der Aufklärung mit einer sich nahtlos anschließenden Durchführung des Eingriffs rechnen muß und deshalb unter dem Eindruck steht, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1994, aaO).

20
Aufgrund der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die der Klägerin zuteil gewordene Aufklärung nach diesen Grundsätzen rechtzeitig war. Im Gegenteil spricht der späte Zeitpunkt, zu dem die Myelographie durchgeführt wurde, und der Umstand, daß der Klägerin unmittelbar vor dem Eingriff die Unterschrift unter der bereits vorformulierten Einverständniserklärung abverlangt wurde, dafür, daß ihr möglicherweise nicht genügend Zeit gelassen wurde, nach reiflicher Überlegung ihr Einverständnis zu dem Eingriff zu geben. In diesem Zusammenhang hätte das Berufungsgericht auch erörtern müssen, ob es nicht die Möglichkeit gegeben hätte, die Myelographie statt am späten Abend erst am kommenden Morgen vor der Operation durchzuführen.

21
d) Schließlich halten auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur hypothetischen Einwilligung der Klägerin den Angriffen der Revision nicht stand.

22
Feststellungen darüber, wie sich die Klägerin nach ausreichender Aufklärung entschieden hätte, und ob sie für den Fall einer Einwilligung in einen Entscheidungskonflikt gekommen wäre, durfte das Berufungsgericht grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung der Klägerin treffen (Senatsurteile vom 26. Juni 1990 – VI ZR 289/89VersR 1990, 1238, 1240 = AHRS 6180/38; vom 11. Dezember 1990 – VI ZR 151/90VersR 1991, 315, 316 = AHRS 1050/49 und vom 2. März 1993 – VI ZR 104/92VersR 1993, 749, 750). Im übrigen stützt das Berufungsgericht seine Überzeugung im wesentlichen darauf, daß der Klägerin wenigstens eine Aufklärung über die sehr erheblichen Risiken der Myelographie zuteil geworden war. Entscheidend war aber auch in diesem Zusammenhang, ob die Aufklärung rechtzeitig erfolgt ist. Erfolgte sie nämlich verspätet, so legt es bereits die Lebenserfahrung nahe, daß die Entscheidungsfreiheit der Klägerin im Hinblick auf den psychischen und organisatorischen Druck eingeschränkt war. Dann bedurfte es keines näheren Vortrags von ihr dazu, daß sie durch die Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt geraten ist (Senatsurteil vom 14. Juni 1994, aaO).

III.

23
Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. In dieser Verhandlung wird die Klägerin Gelegenheit haben, auch ihr Vorbringen zu Fehlern bei der Durchführung der Myelographie zu wiederholen und von den Beklagten die Nennung des Namens der Röntgenassistentin zu verlangen, die dem Zweitbeklagten bei der Myelographie assistiert hat.

24
Im übrigen wird das Berufungsgericht Anlaß zu der Prüfung haben, ob das erstbeklagte Land Träger der Universitätskliniken ist oder die Universität (vgl. Senatsurteil BGHZ 96, 360 = AHRS 0180/14).

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